Telefondienst

Telefondienst
Thursday 09 November 2006

Liebe Frau Miller,
ich finde die idee auf ihrer website einen telefondienst für mütter zur organisieren, großartig. ich bin begeistert davon.

ich kenne viele menschen, die sich viel mit sich selbst beschäftigen und dann immer wieder an dieselbe frage kommen: warum bin ich so? warum habe ich diese gefühle? diese fragen sind auch meistens mit selbstvorwürfen und schuldgefühlen verbunden. “warum kann ich nicht anders sein” “warum gelingt mir das nicht besser”. sie denken sie sind auf eine bestimmte negative art auf die welt gekommen. “sie waren ja schon immer so hysterisch” “schon immer so krank”, das haben mir ja schon meine eltern so gesagt, und die müssen es ja wissen, die kennen mich ja von geburt an.
in den meisten “helfenden” institutionen wird diese art von denken, die schuld dem kind selbst zu geben bzw. dem menschen selbst zu geben, noch verstärkt. die folgen sind zermarterung mit schuldgefühlen, selbsthaß, und dadurch bedingt eine steigerung der destruktiven verhaltensweisen, also auch die mißhandlung der eigenen kinder, weil durch die verstärkung des selbsthasses auch das “abladeventil”, also das kind, verstärkt wird.

es gibt viele menschen, die so angst haben vor der wahrheit, daß sie sich der ganz einfachen antwort auf die frage “warum bin ich so” entziehen wollen. die antwort ist ganz einfach “weil du mißhandelt worden bist”. durch die starke idealisierung der eltern, wird eine auflösung des gefühls konsequent verhindert. die aufgabe der idealisierung der eltern würde die schmerzhafte wahrheit ans tageslicht bringen, mit all den schmerzen, die jedoch als selbstverantwortlicher erwachsener, einen eben im gegensatz dazu, als man ein kind, war nicht mehr umbringen, sondern im gegenteil, nach einer zeit der intensiven trauerarbeit und erleben der früheren schmerzen, eine unglaubliche befreiung bedeuten und erst ein freies leben ermöglichen. es verändert sich dadurch alles, wie ich selbst erlebt habe. alles zum positiven und es ist wie ein befreites durchatmen nach jahrzehnten der gefangenschaft und des erstickens.

ich denke viele menschen kommen irgendwann an diesen wie sie meinen “endpunkt” “warum bin ich so”. sie probieren dann ganz viele sachen aus, wie irrwege in die äsotherik z.b. es findet oft eine mystifizierung der schmerzen statt, in der verzweifelten hoffnung erleichterung zu finden. die kompliziertesten erklärungen und antworten werden konstruiert in der hoffnung der schmerz würde sich auflösen. doch das passiert nicht. die einfachste und naheliegendste antwort, daß der urspurng in der kindheit liegt, da man als kind mißhandelt wurde, wird konsequent umgangen. jedoch oft ist auch der grund dafür, derjenige, daß ihnen noch niemand GESAGT hat, daß der grund in ihrer eigenen kindheit liegt. vielleicht würde einer von 100 menschen offen sein für diese antwort. und genau diese menschen werden erreicht, wenn man z.b. ein telefon für mütter einrichtet. und jede person, die man erreicht ist so wertvoll, weil sich nämlich nur so das wissen immer mehr weiterverbreiten kann.

ich freue mich sehr, über diese großartige idee!

mit lieben grüßen
V

AM: Vielen Dank für Ihre Reaktion auf meinen Vorschlag. In Frankreich haben wir schon 3 Personen, die sich zur Verfügung stellten. Hätten Sie vielleicht Zeit und Lust, einige Stunden pro Woche diesen Telefondienst in deutscher Sprache zu betreuen? Sie brauchen nur Ihre Tel.Nummer zu nennen und die Zeiten angeben. Wir werden das mit einem Link vom SOS im Editorial ankündigen (siehe die französische Seite). Ich bin sehr froh über diese Idee, ob viele Frauen von dieser Chance Gebrauch nehmen werden, ist abzuwarten. Man will ja bekanntlich lieber nicht wissen, woher die Wut kommt. Aber warten wir mal ab.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet