Nachtrag Selbst quälen

Nachtrag Selbst quälen
Sunday 01 April 2007

Sehr geehrte Frau Miller,

erstmal möchte ich mich für Ihre Antwort auf meinen Brief vom 23.03. bedanken. Irgentwo war mir schon klar, das ich meine Horrorvisionen hätte näher beschreiben sollen. Es fällt mir sehr schwer. Weil ich mich dessen schäme. Ich weiß das ärztliche Untersuchungen sein müssen und aus dem Grund normal sind. Zudem hat fast jeder mehrere Partner bevor er/sie den “richtigen” findet und ehelicht. Nur das Wissen und Verstehen hilft mir nicht. Es überfallen mich Ängste die mich fertig machen. Zudem fange ich an, mich mit meiner Phantasie zu quälen.

Wenn meine Partnerin zum Arzt geht wird sie untersucht, wobei sie sich entblößt zeigt. Der Gedanke daran macht mich richtiggehend verrückt. Zudem, wenn eine OP ansteht, wird sie narkotisiert und liegt total nackt und ausgeliefert vor dem Arzt. Bei dem Gedanken und der bildlichen Vorstellung ( sexueller Natur ) werde ich wahnsinnig. Die Gefühle die dann kommen, ich weiß nicht genau wie ich es erklären soll, Angst sie zu verlieren (verstirbt bei der OP) Eifersucht, sie “gibt” sich freiwillig einem anderen “Mann” entblößt hin und läßt alles “geschehen”. Sie ist für mich etwas sehr besonderes. Sie ist der erste Mensch der mich so genommen/gelassen hat wie ich bin. Nie hat sie versucht mich zu ändern. Bei ihr konnte/kann ich mich aufrichten und wachsen. Der, der ich heute bin habe ich alles aber auch alles ihr zu verdanken. Ich habe noch nie einen Menschen gehabt der mir so viel Liebe, so viel Wärme und Zuneigung gegeben und gezeigt hat. Ich habe wahnsinnige Angst sie zu verlieren, dass mir “jemand” anders etwas wegnimmt, das mir sehr sehr viel bedeutet. Mit ihr kann ich alles ausleben, kann über alles sprechen, wir haben sehr viele gleiche Interessen. Ich bin einfach sehr sehr glücklich mit ihr. Zudem krönt unsere sehr leidenschaftliche Liebe eine gemeinsame Tochter die sehr verliebte Eltern und ein schönes harmonisches Zuhause hat.

Ich liebe meine Partnerin und ich begehre sie sehr. Dies beruht auf Gegenseitigkeit. Ich brauche meine Partnerin weil ich sie liebe. Eine lange Zeit habe ich mich auch mit der Vorstellung gequält, was sie mit anderen Männern (vor unserer Zeit) hatte. Das hat sich mittlerweile gelegt. Ich möchte jetzt nicht das der Eindruck entsteht, das ich meine Partnerin “ankette”. Wir haben absolutes Vertrauen ineinander und jeder von uns hat seinen Freiraum. Keiner macht dem anderen Vorschriften. Es sind meine Ängste und meine “Vorstellungen” die mich so richtig fertig machen. Ich möchte dem “kleinen Kind” helfen. Ich habe schon so viel hinter mir, schon so viel geschafft. Ich glaube das das der größte und schmerzhafteste “Stein” ist den ich noch auf dem Weg zu mir “weg räumen” muß.

Ich wünsche mir, das Sie jetzt mehr mit meinen Aussagen anfangen können und mir “Denkanstösse” mitteilen können. Danke für das lesen.
Mit freundlichen Grüßen, M.G.

AM: Sie schreiben, dass Sie eine sehr schwere Kindheit hatten und später unter deren Folgen gelitten haben. Ihre Ängste zeigen, dass Sie sich kaum an die Details erinnern können, weil Sie damit so allein waren und so vieles verdrängen MUSSTEN. Es mag sein, und kommt häufig vor, dass Ihnen die gute Partnerschaft jetzt die Kraft gibt, die Sie brauchen, um sich dem Leiden des Kindes, das Sie waren, zu nähern, es bewusst zu fühlen und es zu verstehen. Jetzt scheinen sich die in Ihrem Körper gespeicherten Ängste in Ihr Bewusstsein zu wagen, weil Sie erst jetzt es sich leisten können, sie zuzulassen. Als Kind haben Sie den Horror überlebt, ohne ihn benennen zu können. Jetzt, als Erwachsener, haben Sie die Chance, ihn zu BEWÄLTIGEN, indem Sie auch den Zorn spüren und sich über die Grausamkeit empören. Es ist gut so. Denn was wir bewusst fühlen und in der Sprache artikulieren können, braucht sich nicht in körperlichen Symptomen auszudrücken.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet