Das Gedächtnis verlieren

Das Gedächtnis verlieren
Thursday 20 December 2007

Hallo Alice Miller,
ich habe gerade ihr neuestes Buch zu Ende gelesen.
Es gibt zwei Fragen, die mich seitdem sehr beschäftigen: Kann es sein, dass das „innere Kind“, das uns immer wieder über unsere Kindheit erzählt, identisch mit der „Erinnerung des Körpers“, d. h., mit den eingespeicherten Körperinformationen aus unserer Kindheit ist? Ich merke oft, wenn Bilder aus meiner Kindheit und die dazugehörigen Gefühle hoch kommen, mein Körper heftig reagiert. Seitdem ich es (meistens) zulassen kann, habe ich auch keine Atemnot und keine verstopfte Nase mehr.

Die zweite Frage betrifft einen früheren Job in der Altenpflege. Mir kam oft der Gedanke, dass sich an Demenz/Alzheimer erkrankte Menschen vielleicht deshalb nicht mehr erinnern können, weil sie früheste Erinnerungen verdrängen müssen, da sie zu schmerzhaft waren/sind, um sie an die Oberfläche gelangen zu lassen. Ist das zu weit hergeholt? Die Mediziner würden mich bestimmt für verrückt erklären. Andererseits gibt es meines Wissens bislang keinen wirklichen Durchbruch in der Forschung…

Viele Grüße B. V.

AM: Ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief. Sie sehen das ganz richtig, und offenbar haben Sie schon die Bestätigung Ihres Körpers erfahren. Auch was Sie über die Alzheimer Erkrankung schreiben, deckt sich mit meinen eigenen Überlegungen. Wenn man jung ist, lassen sich die schlimmen Erinnerungen aus der Kindheit leichter abwehren als im Alter, da die körperliche Schwäche die Menschen an ihre Hilflosigkeit und Abhängigkeit erinnert. Wenn man aber das ganze Leben die Erinnerungen an die Kindheit gemieden hat, wie soll man diese dann als geschwächter Mensch zulassen wollen und können?

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet