Ich will mich nicht länger belügen
Friday 08 August 2008
Liebe Frau Miller,
darf ich mich nochmals an Sie wenden?
Das Veröffentlichen meines Textes vom 1. 8. 2008 wirkt nach. Entstanden
ist ein Brief an die Eltern.
Da ist in mir immer noch das Gefühl, das bringt sie um, wenn sie den zu
lesen kriegten.
Ist das immer noch Elternschonung, mit der ich mir schade?
Nach dem Gesprächsversuch im vergangenen Jahr hatte ich über drei Wochen
heftigste körperliche Schmerzen im ganzen Körper.
Und das will ich gewiss nicht nochmals!
Wohl hab ich den Vater in seine Schranken verwiesen. In den Jahren der
Kontaktsperre hat er gelernt, dass er mich nicht mehr zu sehen kriegt,
wenn er nicht aufhört mit seinem Urteilen und Fordern. Doch ratloses
Schweigen war meine Antwort, als er, kurzfristig aus der Demenz
heraustretend, mir seine Gebete für eine Rückkehr von uns Kindern in
den Kirchenschoß “anvertraute”.
Fühle mich zerissen zwischen dem Wunsch, mich zu schützen und dem Drang,
auch dieses Schweigen zu zerreißen.
KH
AM: Ihr Brief an die Eltern zeigt, weshalb Sie trotz Ihrer klaren Sicht immer noch an körperlichen Symptomen und Depressionen leiden. Sie verlangen Respekt für Ihr Leben und bitten um Zeichen der Liebe für Sie im Gebet, als wüssten Sie nicht, dass Ihre Eltern zu beidem nicht fähig seien. Wenn SIE sich eines Tages Respekt und Liebe werden geben können, werden Sie dies nicht länger bei Ihren Eltern suchen, nicht mehr an sie appellieren und sie nicht mehr beruhigen wollen. Sie werden dann vermutlich Ihren gigantischen Zorn erleben, der so lange eingesperrt war, und sich wundern, dass damit Ihre Symptome verschwunden sind. Es ist begreiflich, dass Sie nach Ihrer extrem verlogenen Erziehung immer noch Angst und Schuldgefühle haben, aber Sie sind auf dem Weg, beides los zu werden, weil Sie sich nicht länger belügen wollen. So scheint es mir zumindest, wenn Sie mich Ifragen: Ist das immer noch Elternschonung, mit der ich mir schade?