Interviewfragen

Interviewfragen
Tuesday 05 September 2006

Sehr geehrte Frau Dr. Miller,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Gerne sende ich Ihnen die Fragen für das Interview mit Ihnen zu unserem Sachbuchprojekt. Gemeinsam mit Frau Angelika Bachmann, recherchiere ich zum Thema „Lehrergewalt“, mit dem Fokus auf psychische und physische Gewalt von Lehrern gegen Schülerinnen und Schüler, sowie strukturelle Gewalt in Schule-Eltern-Konflikten.
Wir stoßen dabei immer wieder auf das Phänomen, dass Erwachsene, (z.B. Opfereltern) die Gewalt gegen die Kinder gutheißen.
Außerdem schildern Betroffene immer wieder den Corpsgeist in Lehrerkollegien, wenn es um Lehrer-Eltern-Konflikte geht. Nicht selten werden Straftäter da von Kollegen gedeckt und geschützt, gegen die Beschwerdeführer geradzu mobil gemacht. Die Opfer erleben oft weitere Verletzungen durch Mobbing und Ungerechtigkeiten.
Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns folgende Fragen mit der Genehmigung zur Veröffentlichung, beantworten würden.
Mit freundlichen Grüßen, P. W.

Fragen:
• ..das Einzige, was hilft…, eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet,… Warum heißen Menschen Gewalt gegen Kinder gut?
AM: Weil sie solche Sprüche von klein auf von ihren Eltern gelernt haben und lernen mussten, die eigenen Gefühle, den Schmerz und die Wut, zu verdrängen, um nicht an der Erkenntnis zu sterben, dass sie von den Menschen bedroht wurden, die ihnen Schutz und Liebe schuldeten.

• Richtet die psychische und / oder physische Gewalt von Lehrern gegen ihre Schüler langfristig Schaden an der Entwicklung des jungen Menschen an?
AM: Ja, natürlich, aber am meisten Schaden richten die Eltern an, weil sie das Kind oft sehr früh schlagen (wenn es anfängt zu laufen und Dinge anzufassen, die es nicht anfassen sollte). Da sich das menschliche Gehirn in den ersten drei Jahren strukturiert, bleiben die falschen Botschaften oft ein Leben lang im Gehirn wirksam: „Schlagen ist gut und nötig“. Ein Kind, das zu Hause nie geschlagen wurde, wird sich in der Schule verbal verteidigen können. Geschlagene Kinder wagen es nicht, sie wissen nicht, dass man anders als mit Schlägen kommunizieren kann.

• Richtet die psychische und / oder physische Gewalt von Lehrern gegen ihre Schüler langfristig gesellschaftlichen Schaden an?
AM: Nicht so wie die Gewalt in der Familie, weil das Kind schon urteilen kann, wenn es nicht Todesängste von Zuhause mitgebracht hat, die es am freien Denken und Urteilen hindern. Frei aufgewachsene Kinder haben weniger Angst vor den Lehrern und können deren maskierte Schwäche besser durchschauen.

• Ist es sinnvoll gegen Lehrergewalt vorzugehen?
AM: Selbstverständlich. Diese Barbarei muss aufhören. Manche Lehrer wählen diesen Beruf, um sich an Kindern als Sündenböcken für die Schläge der eigenen Eltern zu rächen und diese weiter bewundern zu können. Wir müssen alles tun, um diese Dynamik zu entlarven. Aber wir dürfen unseren Teil nicht vergessen und alles auf die Schule wälzen, wenn wir selber unser Kind geschlagen haben.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet