Taube Ohren und blinde Augen

Taube Ohren und blinde Augen
Tuesday 17 March 2009

liebe alice miller,

eigentlich mueßte es heißen wir koennen nicht anders, als winnenden
verstehen. auch ich kann nicht anders. vor zwei wochen erst, war ich selbst
in einer emotionalen “situation”, in der ich mich nicht entscheiden
konnte,
ob ich mir die pulsadern aufschneide oder amok laufe! in dieser schwebe und
natuerlich mit viel wissen, denn ich darf und kann nicht anders als wissen,
habe ich natuerlich erkannt, daß beide keine moeglichkeiten kein weg sind,
sondern nur hinschauen, durchschreiten und loslassen. aber woher soll so ein
junger mensch so eine “lebenserfahrung” beziehen? ich hatte das
große glueck
von wissenden therapeuten begleitet zu werden, wovon ich nun zehre! ja
zehre, denn es ist ein zehren, weil die gesellschaft nicht sehen will und
daher auch nicht verstehen will, daß solche taten von jungen menschen auch
ihr produkt ist, weil sie die not von ihnen nicht sehen will und ihre
eigenen schon gar nicht. ich bin der festen ueberzeugung, daß viele
selbstmoerder und amoklaeufer die gleichen beweggruende haben: sie wissen
nicht wohin mit ihrer aufgestauten aggression, koennen sie entweder nur auf
sich selbst richten oder auf die gesellschaft. und komischerweise ist es
fuer das direkte umfeld dann immer unerklaerlich, egal ob selsbtmoerder oder
amoklaeufer, wieso es dazu kam. sie / er war doch so ein netter,
freundlicher, umgaenlicher junger mensch, der allen freude bereitete. doch
es lag eben daran, daß keiner die verzweifelten signale sehen wollte. und
daß signale gegeben werden, davon bin ich auch ueberzeugt. unsere ganze
jugend rebelliert, aber es sind die medien, der computer etc. schuld. keiner
sieht, daß schon die juengsten von der gesellschaft ausgebeutet werden,
indem sie durch spielerisches lernen schon in der kindergrippe
“gefoerdert”
werden, damit sie ja gut in unserer leistungsgesellschaft funktionieren,
damit sie den ganzen wahnsinn mit iherem arbeits- bzw. (un-)wissenspotential
noch weiter nach vorne im globalen wirtschaftsmachtkampf bringen. schon dies
allein ist schon ein naehrboden fuer aggression, denn sie werden um ihre
kindheit betrogen! dann setze man noch die persoenliche mißhandlung bzw.
ausbeutung durch die familie hinzu! solche faelle werden sich haeufen, wenn
man nicht endlich sehen will!
als ich neulich zwischen diesen beiden moeglichkeiten der aggression
schwankte, bzw. danach, als ich die ursachen dafuer durchschaute, schoß mir
ploetzlich ein gedanke durch den kopf: wehe, wenn alle frauen, solche wie
ich, ihre wut ploetzlich so deutlich spueren und anfangen amok zu laufen, da
bleibt nicht mehr viel! denn frauen, wie ich (ich hab’s auf frauen
eingegrenzt, es gibt natuerlich auch maenner und dies nicht wenige), die
heute ueber 40 sind und in ihrer fruehesten kindheit durch ein
familiemitglied sexuell mißbraucht wurden, die gibt es in dieser
gesellschaft nicht, die darf es einfach nicht geben, die hat es nie gegeben.
daher bekommen sie auch nicht die unterstuetzung die sie brauchen, daher
werden sie immer und immer wieder erneut retraumatisiert, in ihrer
verzweifelten suche nach jemanden, der sie hoert, der sie in der not
wahrnimmt. das erzeugt schon aggression und wut. nur hab ich als erwachsene
andere moeglichkeiten mit ihr umzugehen, als so ein junger mensch. als kind
hab ich meine wut, uebrigens bis vor kurzem noch und auch wenn zu heftig
wird, gegen mich selbst gerichtet, also selbstzerstoererisch. es gibt ja
auche den ein oder anderen erwachsenen amoklaeufer, der meines erachtens
durch ein ausloesendes erlebnis, von seinen hervorbrechenden aufgestaueten
aggressionen ueberflutet wird. so besehen laufen allein in deutschland
tickende “zeitbomben” herum.
zum thema veroeffentlichung glaube ich, daß es nicht an versuchen fehlt,
sondern die tauben ohren und blinden augen einfach zuviele.

alles liebe, PH

AM: Ja, es ist sehr beunruhigend, zu sehen, wie alle unisono und fast stolz deklarieren, dass sie “nichts verstehen”, obwohl die Fakten so eindeutig sprechen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet