Zorn und Wut in der Depression fühlen

Zorn und Wut in der Depression fühlen
Tuesday 28 August 2007

Liebe Frau Miller,

Ich habe Ihnen am 15. April 2007 einen Leserbrief unter dem Titel “Causes of depression” geschrieben, den sie auch beantwortet und veröffentlicht haben. Dafür möchte ich ihnen sehr herzlich danken! In Ihrer kurzen Antwort und in Ihrem Hinweis darauf, dass ich wahrscheinlich noch nicht den Zugang zu den Gefühlen des Kindes in mir gefunden habe, welches immer für seine Eltern sorgen musste und dessen Bedürfnisse ignoriert wurden, und v.a. ihr Hinweis darauf, die Wut und den Aerger zuzulassen und zu fühlen, waren Goldes wert.

3 1/2 Monate sind eine kurze Zeit, aber seit ich mir ihren Rat zu Herzen genommen habe, bin ich nicht mehr in die tiefen Abgründe der Depression gefallen. Die Wut des Kindes in mir habe ich durch schreiben zum Ausdruck gebracht (zB Briefe an meine Eltern, die ich jedoch nicht gesendet habe; eine Reflektion über meinen ehemaligen Therapeuten, der, selbst gefangen in religiöser Moral, mir nicht erlaubt hat die gerechtfertigte Wut auszudrücken und mich somit im Gefängnis der Depression festgehalten hat). Diesen Aufsatz habe ich im Internet (auf Englisch) auf meiner persönlichen Blog Seite veröffentlicht. Und fast jedesmal wenn ich alleine mit dem Auto fahre, schenke ich meine ganze Aufmerksamkeit dem Kind in mir anstatt das Radio anzuschalten. Ich höre ob und was es mir zu sagen hat. Manchmal ist es still und sagt nichts, ist einfach froh bei mir zu sein, und andere male erzählt es mir von seinem Schmerz, seiner Angst, seiner Einsamkeit und seiner Hoffnungslosigkeit.

Alles Liebe, und ich kann es kaum erwarten ihr neues Buch zu lesen! M.

AM: Vielen Dank für Ihren Brief, der mich sehr berührt hat. Er zeigt, wie man sich helfen kann, wenn man sich die Erlaubnis gibt, etwas auszuprobieren und daraus weiter über sich selber lernen kann. Das Schreiben kann tatsächlich eine große Hilfe sein, weil Gefühle, die man genau ausgedrückt und deren Berechtigung verstanden hat, neuen Gefühlen Platz machen. So werden auch die Bedürfnisse klarer auftreten und die Wege, sie zu erfüllen, konkretere Formen annehmen. Ich gratuliere Ihnen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet