Postnatale Depression

Postnatale Depression
Tuesday 30 January 2007

Sehr geehrte Frau Miller!
Ich habe zwei ihrer Bücher gelesen (Evas Erwachen und Das Drama des begabten Kindes). Auch ich habe mich wie viele andere Leser oft in Ihren Beschreibungen wiedergefunden. Ich empfinde mich als ein Kind, dessen wahres Selbst nicht gesehen wurde und das von zwei “bedürftigen” Eltern großgezogen wurde. Mein Vater sehr leistungsorientiert und meine Mutter voll von Selbstzweifel und Schuldgefühlen. Ich weiß aus Erzählungen, dass meine Eltern beide in der Kindheit regelmäßig vom Vater geschlagen wurden (mein Vater die sogenannte Pflichtohrfeige und mein Mutter mit dem Gürtel). Ich selbst errinnere mich nicht daran dass ich regelmäßig geschlagen wurde, jedoch ist meiner Mutter, die sich doch stets überfordert und unglücklich gefühlt haben muß manchmal die Hand ausgekommen (Klaps oder Ohrfeige).
Jedenfalls von mir nicht so empfunden, dass es eine regelmäßige Erziehungsmethode war vor der ich Angst gehabt habe. Größere Probleme (Leistungsangst, Schlafstörungen, Unruhe) kommen bei mir wenn ich mich mit dem Thema auseinandersetze, dass ich keine Eltern hatte bei denen ich Übereinstimmung, Zusammenhalt und Sicherheit gefühlt habe. Mein Vater der sich immer schon durch seine Arbeit und Erfolge definiert und meine Mutter oft betrogen hat. Meine Mutter hat unter der Situation sicherlich sehr gelitten, denn sie erzählte mir dass sie als ich 4 Jahre war einen Selbstmordversuch (Alkohol und Tabletten) machte. Ich und mein Bruder waren damals mit ihr alleine zu Hause und haben alles mitbegommen, aber ich kann mich nicht mehr erinnern. Soweit kurz zu meiner Kindheit.
Als ich mit 35 selbst mein 1. Kind bekam, litt ich unter Angstzuständen, 2 x leichte Panikanfälle und Schlafstörungen. Also eine leichte postnatale Depression. Ich hatte Schwierigkeiten eine Bindung zu meinem Kind aufzubauen, da ich permanente Angst und Unruhe empfand. Eine Angst vor der Verantwortung, mit der ich mich so alleine fühlte. Ich konnte mich nur entspannen, wenn mein Mann zu Hause war. Nach einem Jahr machte ich eine Psychotherapie, allerdings mit Begleitung von dem Medikament Mirrtabene, da ich einfach dringend Schlaf brauchte, ich war völlig fertig. So ging es mir alleine durch den wieder gewonnenen Schlaf wieder besser und in der Therapie habe ich mich auch mit meiner eigenen Kindheit auseinandergesetzt und habe so ziemlich alles was ich oben beschrieben habe herausgefunden und erkannt, dass ich das nicht mehr nacholen kann, das es eben so war. Ich habe dann das Medikament ausschleichen lassen und ein paar Monate ging es mir gut, aber dann begannen wieder von neuem die Symptome etwas abgeschwächt aber mit Schlafstörungen. Ich wollte ein zweites Burnout vermeiden und habe unter ärztlicher Aufsicht wieder mit diesem Medikament begonnen. Denn nur so kann ich den Alltag beweltigen und auch Freude an meinem Muttersein gewinnen.

Meine Frage an Sie ist nun: welche Zusammenhänge kennen Sie aus der Praxis zwischen postnataler Depression und der Kindheit einer betroffenen Mutter. Da ich immer noch auf “Spurensuche” meiner Kindheit bin, bin ich neugierig was Sie zu diesem Thema sagen um hier vielleicht wieder einen Schritt weiterzukommen. Mein Ziel ist es das fehlende Urvertrauen, das ich in meiner Kindheit sicher nicht erhalten habe irgendwie wieder zu stärken, ich weiß nur noch nicht wie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich meine Ängste sonst auflösen. Oder von was können diese Ängste noch kommen? Sind die von mir beschriebenen Erlebnisse in meiner Kindheit Auslöser genug um mich so zufühlen?

Sie können den Bericht gerne veröffentlichen. Und ich freue mich auf eine Antwort von Ihnen.
Liebe Güße, C.N.

AM: Sie fragen: „Sind die von mir beschriebenen Erlebnisse in meiner Kindheit Auslöser genug um mich so zu fühlen?“ Darauf kann ich nur sagen: Ja, mehr als genug. Aber mit Medikamenten verhindern Sie womöglich das Fühlen und damit das Verarbeiten Ihres Leidens.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet