Warum schützen die Therapeuten die Täter

Warum schützen die Therapeuten die Täter
Thursday 24 December 2009

Sehr geehrte Frau Miller,

danke für Ihre Bücher. Es tut gut, zu lesen, dass es legitim ist, sich von misshandelnden Eltern zu distanzieren und abzugrenzen, die auch noch stolz auf ihre “Taten” sind. In langjährigen “Therapien” wurde mir von Therapeuten, die von den Krankenkassen zugelassen sind (!), das Gegenteil eingeredet, was zu neuen Schuldgefühlen und Depressionen führte. Warum tun Therapeuten so etwas? Warum stehen die meissten Therapeuten auf Seiten der Täter? Ich dachte, es sei deren Aufgabe, Hilfesuchenden zu helfen, anstelle zu bagatellisieren und schuldig zu sprechen, wenn wir nicht vergeben können (“man müsse nur wollen”), wenn das so einfach wäre.

Sie sind die erste Therapeutin, die uns nicht verurteilt. Danke.

Mit besten Grüßen. HS

AM: Die Antwort auf Ihre Frage finden Sie in meinen letzten Büchern: Die Therapeuten bilden keine Ausnahme, auch sie wurden, wie fast alle Menschen, mit Schlägen zum Gehorsam erzogen, also fürchten sie bis heute die Bestrafung, die ihnen in der Kindheit gedroht hätte, wenn sie sich gegen diese Brutaliät gewehrt hätten. Die meisten haben dank der Gefühlsunterdrückung und Verleugnung überlebt und nehmen die Täter in Schutz, falls sie in ihren Lehrtherapien niemals den Zorn und den Schmerz des einst geschlagenen Kindes entdeckt und bewusst erlebt haben. Leider wird Ihnen diese Möglichkeit in ihrer Ausbildung selten angeboten, weil sich auch die Lehrtherapeuten nie mit ihrer eigenen Angst konfrontiert und sie nie verarbeitet haben. So halten sich alle in den bestehenden Instituten an die konforme Verleugnung der Wahrheit und an die uralten, traditionellen Forderungen, dass die Täter geschont und die Opfer verraten und verwirrt werden müssen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet