Eine Sendung im NDR

Eine Sendung im NDR
Monday 01 February 2010

Sehr geehrte Frau Miller,

letzten Freitag habe ich im NDR die Tietjen und Hirschhausen Talkshow gesehen und war danach richtig geknickt.

Ich habe mittendrin eingeschaltet und es wurde gerade die Schauspielerin Kathrin Ackermann (die Mutter von Maria Furtwängler)
interviewt. Ich kann nicht mehr in genauen Worten wiedergeben, was genau gesagt wurde. Aber sie verharmloste die Schläge
an ihren Kinder (ich weiss nicht mehr, ob es Ohrfeigen oder Klapse auf den Po waren… beides ist gleich grausam)…

Irgendwann erzählte jeder irgendwas dazu und ich dachte, ich wäre in einer lustigen Talkrunde, wo man sich über das Schlagen
von Kindern austauschte. (Ach ja… die schlimmen Kinder…).

Der Höhepunkt war dann aber Ali Mitgutsch (Kinderbuch-Illustrator der millionenfach verkauften “Wimmelbüchern”). Er begann zu erzählen,
das es wohl Kinder gäbe, die sowas ja “verlangen” würde, die mal einen Klaps brauchen würden…
Er erzählte wie sein ältester Sohn beim Essen mit Spinat spielte und davon was mehrmals was auf das Tischtuch kam und er ihn mehrmals
ermahnt hatte und das Kind weitermachte, bis der Vater ihm den Hintern versohlte. Danach sass der Vater im Sessel und der Junge schmiegte
sich an seine Beine…
Nebenher erzählte er noch, das sein jüngster Sohn ein schmächtiges, (ich glaube er sagte auch “kränkliches”) Kind gewesen ist.

Er fragte sich nicht ein einziges Mal, warum das Kind ihn “provozieren” wollte (ganz spontan kam mir der Gedanke, das sich wohl alles um den
jüngeren Sohn gedreht hat und die sogenannten Provokationen des Ältesten die einzige Möglichkeit war, etwas Aufmerksamkeit zu bekommen)…

Dieser Kinderbuch.Illustrator erzählte weiterhin von seiner Kindheit – die ich als furchtbar empfunden habe – von seiner liebevollen, streng-religiösen Mutter,
die ja so wunderbare Geschichten von Märtyrern erzählen konnte und wenn die Kinder genug bettelten, dann starb der Märtyrer nicht, sondern
war nur scheintot…. (hier hat natürlich auch keiner den Widerspruch erkannt).

DAS SCHLIMMSTE jedoch war, das niemand der Anwesenden sich darüber empört hat, das man Schläge an Kindern verharmlost und das Kind als jemanden
hinstellt, das provozieren will (also das Böse ist) – keiner hat sich darüber beschwert – nicht die anderen Gäste, nicht die Moderatoren, ja noch nicht mal der
Psychiater der ebenfalls zu Gast war. Dieserh hat sogleich versichert, er hat und würde seine Kinder nie schlagen (nachdem er aber auch nichts gesagt hat, würde er andere Kinder auch nicht in Schutz nehmen).

Es hat mir mal wieder gezeigt, das der Grossteil der Menschen nicht nachdenken, nicht über sich, nicht über ihre Kinder, nicht über die Vergangenheit und das der Grossteil der Menschen kein Rückgrat hat, sich über die Grausamkeit an Kindern zu empören.

Falls es sie interessiert, eine Wiederholung der Sendung kommt lt. der NDR Website am

Mittwoch, 03. Februar 2010, 01:10 bis 03:15 Uhr (VPS 22:00).

Grüsse
Michaela D.

PS: Gerne können Sie diesen Brief veröffentlichen.

AM: Danke für Ihre Mitteilung. Ich möchte mir lieber den Ärger ersparen, aber vielleicht werden einige Besucher diese Schau ansehen wollen. Alles ist sehr typpisch an dieser Sendung: die totale Ignoranz, die Einstimmigkeit und auch die Haltung des Psychologen, der ebenfalls keinen Mut hat, sich für die Kinder einzusetzen und etwas anderes zu sagen, als von ihm erwartet wird..

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet