„wenn ich verriet, was mir gefiel“
Friday 30 October 2009
Liebe Alice Miller, lieber Autor,
als ich dieses soeben las, lehnte mich in Bürostuhl hastig zurück, meine Augen rissen sich auf, der Mund öffnete sich und ich atmete frische Luft ein. Meine Wünsche… Verstecken, nicht angucken, vereisen, sonst folgen sie dem Lichtstrahl bis in meine Augen, und so gelangen sie in mich, um zu boxen, zu zerstören. Und immer auf der Lauer, ob ich was unnützes tue, was mir „nur“ Freude macht. Ob ich was male, dass „doch anders“ ist: „Der Hase hat solche Ohren nicht, guck -und korrigiert sabbernd mein kleines Häschen auf dem Zeitungsrande. Bastard ist´s nicht wert, ein Malheft zu haben. Und das noch vor der Schule. Guck, solche Ohren hat der Hase, und auf zwei Beinen steht der doch nicht. Blöd?! Hast noch nie einen Hasen gesehen?
Nach „der Ungeheuer“ arbeitet es in mir. „Das Kind vereist…“ Kennt ihr das Kühlschrank auftauen? Ich meine das Gefrierfach. Es ist endlich teils eisfrei, doch da, zwischen der Wand und den Kühldrähten…. Da bleibt zum Schluß (?!) das letzte Eisstück, es ist das größte. Und dann gibt es einen Moment, in dem es sich dort lockert. Ein bisschen Wasser zwischen Drähten und der Wand. Endlich…
Ja! Es war die Freude zwischen mir und einem egal-was aus der Welt, das sie neben sich nicht ausstehen konnten! Wenn ich verriet, was mir gefiel, haben sie es zerstört. Wenn nicht die Sache, dann die Verbindung, das Leuchten meiner Augen, das konnten sie nicht ausstehen. „Was freust dich denn so? Kriegst gleich eins auf die Nase!“
Mürrisch und vergoren, hungrig, verblasst. Ein Mädchen, dass sich freut?! Unter der selben Sonne?! Auf der selben Erde?! Gar im selben Haus, wie ich?! Nein! Zerstören!
Ich probierte sie zu-er-freuen, wie einen Motor mit Starterhilfe. Es hat ihnen gefallen, weil ich dann um sie kreiste; War nur ein Satellit, und kein Kind mehr mit Beinen für Freudensprünge.
***
Mama, lebst du? Maaaaaam….maaa-maaaa. Ich bin gebeugt über sie; sie steht nicht auf von Mittagsschlaf. Liegt auf dem Rücken. Trau mich nicht ins Bett zu klettern. Will sie umdrehen, aber kann sie nicht umarmen. Sie liegt auf dem Sofa, die Perspektive zeigt: Ich bin etwa drei. Mamaaa, sag, ob du lebst. Sie zu kneifen, ob sie zuckt, darauf komme ich nicht. Zärtliche Geduld fängt an zu beben und Stachel der Angst „Jetzt ist sie tot“ reiben mich in die Panik! Ich probiere sie zu schütteln, doch steif der tote Körper. Sie lächelt….Ein Zahn zu sehen. Macht die Augen auf. Verschlafen sied sie nicht. Oh, Mutter, genossen hast du das, zu fühlen, das jemand dich sich lebend wünscht! Du, sechstes Kind. Wie du dich nennst „Der letze mickrige Ferkel, der von Geschwistern zur leeren Zitze fortgeschubst wurde“. Deine „Muttersau“ doch hatte keine pralle Zitze! Die waren leer. Hast nicht bemerkt, als du bei ihr geblieben, gehofft hast dich zunähren an „frei-gewordenen“ Zitzen deiner Brüder?! Dich, Mädchen, sie gehaßt hat, so wie sie von ihren Eltern als erstgeborener nicht-Junge gehaßt doch worden ist! Unermüdlich hast du dich um eine der Zitzen bemüht; Mich hast hungern lassen. Dich tot gestellt, um ziternde Fingerchen auf deinem Damenbart zu spüren. Dein Tod, wäre mein schlimmer als das Ende. Dein Tod, bedeute mir Folter, boxen in die Nase, Blut…
Deine Monster-Schwester wiederholte doch: „Wenn deine Mutter tot ist, kommst zu mir. Vor dem Gott wurdest du mir zugeteilt, keine Regierung würde das brechen können, ich bin deine Tauf-Mutter (so heißt bei uns Patentante). Und wenn du erst bei mir bist, werde ich dir deine Hörner herausreissen, bei mir wird aus dir ein goldenes Schäfchen, du, Bastard bist daran Schuld, dass unsere Mutter zur Bestie wurde, die Schande hat sie nicht verkraftet. Vor deiner Ankunft backte sie uns Weißbrot mit Rosinen.
Und als du fort warst; Deine Mutter hat sich tot-gestellt. Angst hatte ich vor ihr: Sie hat mich in den Finger gebissen! Sich kaputt gelacht! Tränen sprangen in die Augen: Ihr vor Lachen, mir vor Schmerz: Na, du blöde, was steckst du denn die Pranken mir in den Mund? So blöd du bist…
So wohnten wir doch drei Generationen verhasster Töchter.
Mit allen Gefühlen habe ich mich an sich-tot-stellen-und-mit-einem-Lächelt-auferwachen meiner Mutter erinnert! Mit allem, was dabei war! Wie ekelhaft!!!!! DANKE!!!!
Und einmal fragte ich sie: „Warum hast du mich nicht beschützt, als die lachende alte Frau sich mir mit einer Riesennadel näherte und fragte, wohin sie mich stechen soll. Ich hatte furchtbare Angst, ich hatte dissoziiert, und du…..gelächelt und geschwiegen“. In dieser Zeit konnte ich gerade schon laufen, es war noch eher ein Abspringen von einem Beinchen aufs andere. So klein war ich! Und ich fragte sie nicht, ob es wahr ist. Sie antwortete:“Du warst noch zu klein. Daran kannst du dich nicht erinnern.“ Das ist die ins sich verdrehteste Antwort, die ich je gehört habe!
Die „Forscher“ dürfen sagen, was sie möchten, aber ich erinnere mich an prägende Gespräche, Situationen, Erlebnisse aus der Zeit, als ich noch „Babysprache“ sprach. Meine Mutter weiß DAS, weil ich ca. 30 Jahre später einige Rückfragen hatte.
Mein erster Satz (nicht nur ein Wort)doch war…-ich schäme mich endlich nicht mehr dafür: „Hier ist Penis“. Meine ältere Cousens hielten ihre Glieder mir ins Gesicht, ließen danach fassen und schenkte Zuneigung; ich doch sonst alleine im Zimmer. Wenn draußen, dann in einem hohen weißen Plastikkübel! Leer, ohne Decke, ohne Spielzeug sonst „pisse ich noch zu“. Und brach ich lebenlang meinen Kopf, warum in meinem schlimmsten Albträumen bin ich doch in einem weißen raum gefangen, warum ich in keinem weißen Zimmer sein kann….. Ein hochbegabtes Kind, das Farben schmeckt und riecht….gehalten haben die im Sommer draußen in einem weißen hohen Plastikkübel, im Winter gärte der Sauerkraut darin. Im Winter Sauerkraut- im Sommer ich. Und dachte ich, ich sei doch sicher irre: Ich habe angst vor weißen Töpfen…Doch stich mir meine Mutter: „In den wichtigen 3 Jahren war ich doch bei dir!“ Bei mir du, Mutter, warst du nie gewesen…. Du schwebtest weg von mir durch´s Fenster, so hast du in die Ferne geschielt….
Ach, die Cousens. Merkwürdig spürte ich die Luft, da war was. Und auch die Illusion, die älteren Cousins habe mich geliebt (u.a. die Söhne meiner Tauf-Mutter). Und die Erinnerung, aber erst nach der kalten Frage: „Warum spielten sie, teilweise schon Teenagen mit mir, einem Kleinkind, geheime Abenteuerspiele?“ Einer Stand Schmiere hinter dem Stall, die anderen urinierten mir in den Mund. Einer stand Schmiere an der Kammertür, einer sprach mir zu, der andere Fotografierte mich….mit breiten Beinchen, ohne Unterhose. Das alles in den Sommerferien bei Oma (bei ihr lebte ich mit meiner Mutter). Später guckten sie kichernd Fotos, mir zeigte sie die nicht, obwohl ich´s darum bat….das war´n doch ….meinen. Der Fotograf hat sich erhängt… Ich hätte meine Fotos mal gesehen.
Und einmal im Sommer stand meine Mutter auf dem großen Hof und rief mich. Ich soll zu ihr. Da war ich vielleicht fünf, weil ich noch keine Schwester hatte. Sie zappelte vor Erregung (ja). Ich soll mein T-Shirt ausziehen und sie umarmen, meinen Gesicht gegen ihren Bauch drücken. Dann rief sie nach dem ca. 10 Jahren älterem Cousen….er solle auf mich urinieren, weil Urin doch gegen meinen Sonnenbrand gut sein sollte! Ich sackte in mich zusammen, „vereiste“. Verdammt! Ich schämte mich für diese Erinnerung und warf mir vor, ich hätte doch weglaufen sollen! Heute weiß ich, dass es…. „mein tägliches Brot“ war; wie soll man sich dagegen zu wehren wissen… Meine Mutter wollte, dass er am hellen Tage, draußen in ihre Richtung uriniert; Den behaarten Penis, den Urinstrahl wollte sie sehen, und sehen, dass der Strahl doch (diesmal endlich?!) mich trifft und nicht sie?!
Meine Haut hat den bereits erwartet, doch Mutters Wunsch blieb unerfüllt. Mein Cousen tat es nicht, obwohl sie fauchte, und ich da stand- ein Bisschen von einem Menschenwesen, um die Würde doch längst beraubt….
Und jetzt kann ich sofort die Wut spüren, manchmal entlädt sich sich wie leichte Stromschlag, mein Körper schütelt sich einige Sekunden. Das macht keine Angst, sondern erleichterung. Ich enteise so. Nach und nach. Täglich.
Übrigens: Meine Mutter schenkte dem Cousen, der mein Babysitter in den Ferien war, als Lohn, Dank und Anerkennung eine Uhr. Eine wertvolle Seltenheit in der Sovietunion damals. Vor paar Minute fragte ich mich das erste Mal, warum ich den eigentlich keine Uhr Trage. Es ist eine gewisse Blokade, Protest…
Und meine Cousens waren die letzten, die ich enttarnte. Alles so merkwürdig und doppelt. Eine Verwandschftsorte nach der anderen. An Cousinen hielt ich am längsten fest… Bis ich den Wunsch verschwinden sah, in Großmuttershaus einen Feuer zu machen, aufzuräumen, damit uns allen endlich warm wird, und wir uns alle lieben….. und fröhlich am eigenen Leben werden.
Nun habe ich meinen Wunsch erfüllt: Ich lebe weit weit weg. Und heute habe ich meine eigene Firma angemeldet. Bin eine selbständige Unternehmerin, und ich werde es ertragen, dass die von damals mich „ergoogeln“ können. Das sie sehen können, dass ich ein ganz anderes Leben lebe, als wofür sie mich vorgesehen und dressiert hatten.
Danke, Alice, ohne Dich hätte ich meine ungeöffnete Geschichte mit ins Grab genommen; Sie hätte mich zur Tode erdrückt, denn ich hatte ja kein Kind, um sie abzugeben. Was für ein GLÜCK für mich, und die Kinder, die ich vielleicht noch gebären werde! Ich habe das öffnen ausgehalten!
Danke allen Schreibenden und Lesenden
Gerne kann unter „M“ veröffentlicht werden
AM: Welche schrecklichen Qualen haben Sie doch überstehen müssen! Und wenn Ihnen etwas Freude machte, mussten Sie sie verstecken. Welche Versümmelung der Kreativität. Zum Glück haben Sie sie gerettet. So spielt sich das Leben unzähliger Kinder ab, die nicht die Begabung haben, dies alles in einem so starken Text zu erzählen und sich so zu befreien, weil man ihnen den Spaß am Schreiben auch noch genommen hat. Danke für Ihren Beitrag, er wird vielleicht anderen helfen, veschlossene Türen zu offnen.