Projektgedanken

Projektgedanken
Thursday 10 July 2008

Liebe Alice Miller und liebe Barbara Rogers,

Ihre Bücher und Ihre Webseite begleiten mich fast täglich und ich bin jedes Mal wieder dankbar für jede einzelne Erkenntnis, die mir dort begegnet ist. Gerade lese ich Ihr neustes Werk und fühle mich dort richtig zu Hause.

Heute allerdings schreibe ich Ihnen mit einem anderen Anliegen. Seit Wochen reift in mir eine Idee heran, von der ich das Gefühl habe, sie würde sich lohnen umzusetzen. Immer wieder lese ich auf Ihrer Leserbrief-Seite von Anfragen nach vertrauenwürdigen Therapeuten und immer wieder können Sie nicht anders, als auf die FAQ-Liste zu verweisen, was sicherlich eine riesige Hilfe ist.

Allerdings hatte ich mir überlegt, ob es denn nicht möglich wäre eine Seite einzurichten, die von den Lesern empfohlene Therapeuten enthält, sprich Therapeuten, die in Ihrer Richtung arbeiten. Diese wird von den Lesern selbst bespeist und stellt lediglich eine unverbindliche Empfehlung von jedem einzelnen dar.

Im Prinzip ist es ja so, daß ja jeder, der bei einem Therapeuten anruft, den er dort durch eine Empfehlung herausgesucht hat, immer noch schauen muß, ob ihn dieser liegt oder nicht, aber so wäre die Suche vielleicht nicht ganz so komplex und es wäre ja vielleicht auch so, daß manche lieber eine längere Strecke in Kauf nehmen würden und statt dessen aber einer erfolgreichen Therapie entgegenblicken.

Den Aufbau der Seite würde ich gerne übernehmen, wenn Sie diese für sinnvoll erachten – allerdings wird es sicherlich viel Zeit in Anspruch nehmen, weil eine Freundin und ich gerade an einer Seite basteln, die sich an Mütter wendet, welche ihre Kinder nicht fremd betreuen lassen möchten, für einen gleichberechtigten, respektvollen Umgang sind und diese Seite doch zuerst soweit stehen soll. Dort haben wir auch Ihre Seite erwähnt, weil wir es als so wichtig empfinden, daß Mütter nicht nur in der Theorie eine bestimmte Vorstellung vom Umgang mit ihren Kindern haben, sondern auch die Praxis, sprich die eigenen Körpererinnerungen als solche erkennen und gelten lassen, bzw. deren Ursprung finden. (Für mich persönlich ist der Fokus genau hierauf). Ich hoffe es ist für Sie in Ordnung dort einen Verweis auf Ihre Seite zu stellen – wenn Sie möchten können Sie aber noch mal nachsehen (www.ajoona.com) und mir Bescheid geben, falls nicht.

Die Sammlung der Therapeutenliste sollte eigentlich ursprünglich – zumindest so weit das Gedankenkonzept stand – teil einer Vision sein, die ich selbst in einem Traum umgesetzt sah. Das hört sich jetzt spirituell an, so ist es aber sicher nicht gemeint, sondern es ist, denke ich, einfach die Formung eines langen Gedankenspiels, bei dem ich mir immer wieder dachte „Es muß doch etwas für Mütter oder Väter geben, die mit dem eigenen Umgang mit ihren Kindern nicht zufrieden sind, die sich nicht sagen, ‚Na, das hast Du aber verdient‘.“ Mir persönlich geht es nämlich ständig so, auch wenn ich merke, wie sich kleine Bereiche Stück für Stück auflösen, je mehr ich das kleine Mädchen in mir spüre (was noch sicherlich sehr lange dauert, bis das Ziel erreicht ist und ich alles in seinem Ausmaß erkenne). In dem Traum nannte es sich „Parent Opening Center“ und eben so etwas in der Richtung würde mir wirklich am Herzen liegen aufzubauen, denn es ist an der Zeit, daß der Mist aufhört, der immer noch von so vielen Experten verbreitet wird (Winterhoff und ähnliche) – von wegen „Grenzen setzen“, „klare Regeln“, „immerwiederkehrende Rituale“, „Weinen stärkt die Lungen“, „das Kind zu tragen schädigt die Wirbelsäule“, „die Eltern sind die Chefs, sonst tanzen ihnen die Kinder auf der Nase herum“ usw. usw., die Liste ist ja endlos. Und daß die Augen vor der Wahrheit verschlossen werden, daß der Drang ein Kind zu schlagen nicht durch das Verschulden des Kindes kommt usw., daß Körpererinnerungen da sind, um uns auf etwas aufmerksam zu machen, aber nicht durch sogenanntes Fehlverhalten des Kindes erst verursacht werden. (An kaum einer Stelle liest man von den Gefühlen der Kinder, so als gäbe es diese eigentlich gar nicht.)

Ich denke, es wird leider noch nicht möglich sein, hierfür ein bestimmtes Gebäude finanzieren zu können, in dem fähige Therapeuten oder ausgebildete Leute – vorwiegend im Sinne von sensibel und ihre eigene Kindheit aufgearbeitete – Eltern stützen, die Interesse daran haben etwas zu ändern.
Denn auf Menschen zuzugehen, die sich nicht ändern wollen ist m.E. noch mal ein anderes Kapitel. Wichtig und als erfolgsversprechend sehe ich daher an, wenn man etwas aufbauen könnte, das eben Menschen anspricht, die bereit sind die entscheidenden Schritte zu gehen und aber einfach nur keine angemessene Hilfe bekommen – weil eben irgendwelcher Unsinn großflächig verbreitet wird.

Es würde mich sehr interessieren, was Sie hierzu für Gedanken haben.

Ein letzter Punkt ist, daß ich mich frage, warum man denn nicht einfach aus Ihren Erkenntnissen einen Studiengang begründet?
Wenn ich mir so manche Zeitschrift durchlese, so habe ich den Eindruck, für alles mögliche oder unmögliche gibt es Studiengänge, es gibt sogar die Möglichkeit innerhalb eines Jahres wohl unter der Bezeichnung „Kleiner Heilpraktiker“ Psychotherapie zu studieren – was ich jetzt nicht möchte, aber dabei frage ich mich, ob es denn nicht möglich wäre, daß man einfach Ihre Erkenntnisse in ein Studienjahr packt inklusive ein paar dringender, erweiternder Aspekte, wie etwa Aufarbeitung der eigenen Kindheit usw…
Letztens beispielsweise bekam ich eine e-mail von einer katholischen Vereinigung, die eine Stellenausschreibung verschickte, bezüglich Entwicklungshilfe, bei der als Anforderung ganz klar stand, man müsse christlichen Glaubens sein plus Sozialkunde studieren und das finde ich schlimm, denn es heißt für mich, daß Menschen gesucht werden, die in ein anderes Land gehen (in diesem Fall Osttimor), um nur ihre eigene Meinung gelten zu lassen und wo soll das Hilfe sein? Als ob die christliche Moral uns zu vollwertigen Menschen macht?
Das aber nur am Rande; und es soll nur aufzeigen, wie wichtig ich es fände, wenn ein solcher Studiengang etabliert wäre… Wäre es denn nicht möglich so etwas aufzubauen, vielleicht mit ein paar weiteren Buchempfehlungen von ihnen, oder dergleichen?

Ich wollte an dieser Stelle auch noch schreiben, daß falls, Sie es als lohnenswert erachten eine Webseite zumindest anfänglich mit Therapeutenliste aufzubauen oder dies später zu einen Zentrum für Eltern oder auch nicht Eltern, die Hilfe suchen zu erweitern, können Sie gerne meine e-mail-Adresse veröffentlichen oder weitergeben, so daß vielleicht Menschen, die Energie haben sich daran zu beteiligen mit mir Kontakt aufnehmen können.

Ich danke Ihnen noch tausendmal für all Ihre Bücher und all die wertvollen Artikel und Antworten auf Ihrer Webseite!!!!!! Ich wünsch mir immer, Sie würden nie aufhören zu schreiben – was hoffentlich nur verdeutlicht, als wie wichtig und weltbedeutend ich Ihre Schriften empfinde!!

Liebe Grüße, B. F.

AM: Vielen Dank für Ihren Brief und Ihre Ideen, wie man das Wissen verbreiten kann, das die Eltern so dringend brauchen und fast nie bekommen. Mit Angaben von Therapeuten haben wir bisher sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Sehr schnell stellte es sich heraus, dass die schwarze Pädagogik Einzug hielt in die Therapien, und wir wollen keine Verantwortung dafür tragen. Die nie verarbeitete, unbewusste Angst des kleinen inneren Kindes vor den Strafen (Schlägen) der Eltern macht es den meisten Therapeuten unmöglich, dem Kind im Klienten beizustehen, auch bei den besten Absichten. Ich bin einverstanden, dass Sie meine Webseite zitieren, wo immer Sie können, aber Ihr Brief lässt noch eine Idee in mir aufkommen: Das Vorwort zu meinem letzten Buch „Dein gerettetes Leben“ enthält eigentlich alles, was gut gesinnte und neugierige Eltern wissen müssten. Gäbe es eine Möglichkeit, diesen Text zu vervielfältigen und möglichst weit zu verbreiten? Vor allem in Zentren, die die Eltern zu aufgeklärten Eltern ausbilden und korrekt informieren wollen? Können Sie sich eine solche Aktivität vorstellen? Wäre das ein finanzielles Problem? Dieses ließe sich vielleicht lösen. Das große Problem sehe ich in der Angst der Mitarbeiter vor den eigenen Eltern, wenn sie die Wahrheit zulassen. Aber der Versuch würde sich lohnen, zumal der Text Hinweise enthält, die einleuchtend sind. Bitte schreiben Sie uns, ob eine solche Tätigkeit im Bereich Ihrer Möglichkeiten liegt.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet