Psychopharmaka

Psychopharmaka
Saturday 03 February 2007

Liebe Frau Alice Miller,

ich habe einen sehr lieben, aber leider seelisch kranken Freund in Riga, Lettland. Gibt es dort eine(n) Psychotherapeuten, den/die Sie empfehlen würden? Vielleicht kann er aber auch auf Ihrer Webseite etwas mehr über sich selbst verstehen lernen, schade, dass sie nicht ins russische übersetzt ist, aber er spricht auch englisch.

Ich mag Ihre Art, seelische Erkrankungen zu sehen, sehr, schon 1982 Hab ich “Das Drama des begabten Kindes” gelesen und verstanden. Aber die schwarze Pädagogik ist gefährlich gewachsen, was Sie auch in “Die Revolte des Körpers” schreiben. Ich war kürzlich auf einem Kongress einer “Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde” in Berlin. Ich hab mich dort “eingeschlichen”, nur aus Neugier bin ich alle Stände abgelaufen. Es war erschreckend, wie dort fast ausschließlich für Psychopharmaka geworben wurde! Kein Wort über die Entstehung seelischer Krankheiten. Ich hab in den 70er Jahren Erziehungswissenschaften studiert, meine Güte, da analysierte und kritisierte man noch. Jetzt will die Pharmaindustrie gleichschalten und erzeugt damit ein Heer von lebenslangen Abhängigen, weil ja beim Absetzen der Medikamente die Angst, die Depression oder andere gefürchtete Symptome wiederkommen.

Ist schon traurig!

Viele Grüße von B. E.

AM: Ja, Sie haben recht, offenbar erschlägt die Pharmaindustrie das Interesse der Menschen für ihre Geschichte und die Ursprünge ihrer Erkrankungen. Das ist tatsächlich erschreckend, denn zunächst erscheinen die Medikamente tatsächlich die Lösung zu erbringen, wenn man schmerzfrei wird und besser schlafen kann. Aber wenn das Bedürfnis nach der eigenen Wahrheit ignoriert wird, meldet es sich immer wieder in anderen Formen, und es wird schließlich schwierig, es zu erkennen und zu befriedigen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet