Ehemaliges Sektenkind

Ehemaliges Sektenkind
Thursday 22 January 2009

Liebe Frau Miller,

liebe SP und alle die sich befreien konnten aus den Fängen von religiösen
Gemeinschaft, egal wie sie sich auch immer nennen.
Es bewegt mich unendlich deine Lebensgeschichten zu lesen.
Es ist unvorstellbar wie verdreht die Denkweise ist in diesen Gemeinschaften.
Welch entsetzliches Elend du erleben musstest S.P….
Niemand kann sich das vorstellen dass man solche Dinge mit sich machen lässt,
wenn er nicht selbst so religiös aufgewachsen ist.
Weil jeder halbwegs gesunde Verstand sagen würde:
Waaaas? Das kann nicht wahr sein.
Doch das ist wahr.
So sehr programmieren Sie einen auf die Angst. Ein perfektes Denksystem in der
Isolation. So funktioniert es.
Isolation, Kontrolle, Angst, Gruppenzwang.

Frau Miller hat absolut Recht. Man meint schnell das seien Einzelfälle.Ich bin
in einer sektenähnlichen Weise wie die Zeugen aufgewachsen. Bei uns huldigten
Sie einem Gott der ihrer Meinung nach seinen Propheten William Branham auf die
Erde geschickt hat bevor da käme der große und schreckliche Tag…
Sich aus solchen Sekten zu lösen ist emotional fast keinem möglich.
Die Hirnwäsche ist so perfekt, so nachhaltig von klein an in die Kinder
eingedroschen…die Todesangst solche Gemeinden zu verlassen…sich gegen einen
Gott zu stellen der so mächtig war die Erde in einer Sintflut zu
ertränken…fast niemand hält das aus.
Die meisten bleiben und werden krank oder leben ohne die Gemeinde ein
Kompromissleben mit furchtbaren Schuldgefühlen.

Erst die letzten zwei Jahre fand ich den Mut noch direkter mit diesem „
Gott “ in mir zu hadern, ihn direkt anzuklagen, direkt abzuweisen und zu
verbannen. Anfangs dachte ich wirklich dass mich das mein Leben kosten wird.
Aber nichts ist mir geschehen.
Im Gegenteil.
Ich sehe klarer denn je, manchmal mehr als mir lieb ist, in den Menschen das
Drama das Frau Miller so unnachamlich beschreibt.

Daher schick ich euch diese Art Gedicht um euch Mut zu machen ganz los zu
lassen und wirklich ganz frei zu werden von all dem höllischen Ballast der uns
als Kinder hineingedroschen wurde.
Wir haben überlebt.
Wir sind frei.
Bitte vorsichtig lesen, vielleicht ist es für den einzelnen noch nicht so weit
so frei zu denken.
Aber auch wer das noch nicht so kann…es ist wundervoll dass ihr euch traut
euch zu spüren.
Eva erwache kann ich nur sagen.
Danke Alice. Für mein inneres Kind bist du der Engel gewesen der sagte: Komm
kleiner Schatz, wir gehen jetzt fort von all diesen bösen Leuten die dir Angst
machen. Ich beschütze dich so lange bis die Erwachsene die du mal sein wirst
ganz groß ist. Und dann wird sie irgendwann kommen und dich abholen.

Gott- Vater…

Bin ich nicht gefolgt ohne Murren…
Hatt ich nicht Sehnsucht nach dir meinem Gott…
Hab ich mich dir nicht unterworfen mit Leib und Seele…
Entsagte ich nicht der Welt…
Kasteite ich mich nicht genug…

Und doch fühlte ich deine Liebe nicht…
Immer nur dann wenn du mich zuvor gedemütigt hast…
Wenn ich mein Selbst verleugnete…
Meine Freunde verließ…
Meine Hoffnung verriet…

Krank und zerschmettert…
So hast du mich geliebt…
Eifersüchtig bewacht…
Dass kein Menschenkind mir je zu viel bedeuten könnte…
Jederzeit erwartet dass ich für dich sterbe…
Für dich opfer und entsage…
Allem und allen…

Ich kann solche Liebe bis heute nicht verstehn…
Und jeder Pilger der dir folgt hofft etwas eigenes…
doch meinen sie alle sie wären gleich…
trauen sich nicht ihr Fühlen zu offenbaren…
denn unbarmherzig könnte jemand Anstoß nehmen…
wenn sichtbar würde was ihn bewegt…

Ich gehe wieder meinen Weg mit meiner Liebe…
vertraue meinem Wesen meiner Absicht…
Meide die Gemeinschaften die dir huldigen…
denn bis heute ist nicht einer an meiner Seite von Ihnen…
der ausgehalten hat…
der vertraut hätte meinem Sinn…
In keiner Todesstunde war jemand für mich da…
Kein Engel hat mich je an die Hand genommen…
Wenn das Fegefeuer meine Kräfte fraß…
Asche zu Asche…
was ist der Mensch dass du sein gedenkst…
was ist ein Gott der nicht endlich handelt…

An Rande zum Hades hast du mich verlassen…
Dort wo ich dich zum ersten Mal gebraucht habe Vater…
Wo die Hölle ihre Pforte öffnete und mich zerfleischte…
Genau dort wo mir versprochen war dass du mich behütest…
Dort hab ich gestanden mit kindlichem Vertrauen und Todesangst…
Mit unerschütterlicher Gewissheit dass du bei mir bist…
mit rasendem liebendem Herz…
Doch gestorben bin ich dort ganz allein…
Du warst nicht da…
Keine Engelsflügel hoben mich empor…
Keiner deiner Jünger gab mir Trost…
Sie wendeten sich betend von mir ab…
Und ihr Flehen dass du dich meiner erbarmen magst…
Erlosch mit dem Tod des lebendigen inneren Kindes in mir…

Nicht jedem wird Gnade zuteil…
das hatt ich vergessen…
nicht jeden behütest du…
es kommt immer drauf an…
aber auf was genau…
es angekommen wäre…
zeigst du vielleicht erst am jüngsten Tag…
ein Tag der wie ein Damoklesschwert alles Lebendige in einem Kind zerstört…
wer weiss wer dann noch würdig ist…
vor dir…
und den Deinen…
ich verzichte auf auf das Paradies…
ich brauche keine Begnadigung…
Ich war nie schuldig…
Ich habe mein reines, einsames Kinderherz wiederentdeckt…
das ist ein Paradies!
Und ganau aus diesem Grund sind die wilden Tiere in mir zahm geworden…
Ich brauche sie nicht mehr…
Sie müssen kein Gefühl mehr in mir bewachen und zerreissen…

Was für ein Gott…
der sich fürchtet und kleine Kinder züchtigen muss…
was für ein Vaterbild…
ohne Mutter…
wie unfassbar dass ich heute frei sein kann…
auf meinem eigenen Weg…
Heilen meine Wunden ganz allein…
erwacht meine ursprüngliche reine Seele aus der Tiefe…
bewachen Fühlen und Denken meinen Weg…
Warnen mich vor Schwefelgeruch bevor es brennt…

Heute…
Trösten unheilige Menschen meinen Schmerz…
Salben Mütter und Väter die keinem Gott huldigen müssen das verlassene Kind
in mir…
Drücken es an ihre Brust…
Liebkosen seine Tränen…
Wärmen all das was der Tod ausgespien hat aus seinem Schlund…

Und deine Elite…
Trifft sich fern vom Leben und betet…
Um gefallene Töchter und Söhne zu bemitleiden…
Sie als abschreckende Sünder vorzuführen…
Ungerührt, grausam nüchtern, nicht fragend warum sie so einen Weg gehen…
Sie lieben unter Vorbehalt…
mit Vorsicht…
handeln bedarfsgerecht und wohl dosiert…
barmherzig – armherzig…
ersticken das Leben im Keim!

Wenn ich heute meine eigenen Kinder ansehe…
Wenn sie schlafen und ich in diesem Frieden ihr Vertrauen fühle…
Dass die Mama da ist wenn sie aufwachen und Angst haben in der Nacht…
Dann weiß ich erst wie grausam die Gottesbilder sind die es gibt…
Ahne ich dass es Lehrmeister waren die Götter erfanden, die Eigenliebe
verteufelten…
Verbitterte Menschen die aus ihrer eigenen Pein keinen Ausweg wussten…
Unversöhnt und ungetröstet aufgewachsen sind…
Die gar nicht anders konnten als an Gottväter zu glauben…
die den Menschenvätern an Grausamkeit in nichts nachstanden…
Die Glaube und Gehorsam über die Liebe stellten.

weil sie selbst als Kinder von Erwachsenen gedemütigt, verlassen und verraten
wurden.
Mir wird übel wenn ich mir vorstelle wie viele Kinderseelen verheizt wurden um
Religionen auszubrüten…
Wie viel entsetzliches Elend Kindern wiederfahren ist…
dass Sie als Erwachsene solche Götter erfinden mussten…

Heute öffnen sich Himmel für mich wenn ich einen Menschen glücklich machen
kann…
Heute wachse ich wenn Ich zuhöre und versuche zu ergründen was mein
Gegenüber quält…
Heute schenke ich Liebe aus allem was ich bin…
Heute kann ich sagen was ich brauche ohne Schuld, damit keiner mir mehr von den
Augen lesen muss…
Und heute knie ich nicht mehr hin um zu beten…
Heute fühle ich an den Abgründen entlang und umarme das Elend das nach mir
ruft…
Heute kann ich in Kinderaugen lesen was dort drin in der kleinen Seele alleine
gelassen wird…
Heute nehme ich meine Grenzen ernst und alles was ich bin zählt…
Nur so liebe ich endlich andere wie mich selbst.

Liebe Alice,
mein inneres Kind hat Ihnen geglaubt und ist jetzt wieder wohlbehütet bei mir.
Ich habe es abgeholt und bin wieder ganz.
Es fehlen mir die Worte dafür, weil Danke…ist zu wenig.

Justmyself.

AM: Ich las mit großer Erschütterung Ihren Brief und bin sicher, dass es anderen auch so gehen wird. Zu Ihrer Befreiung möchte ich Ihnen von Herzen gratulieren, Sie haben eine ungewöhnliche Leistung vollbracht im Kampf mit dem Schwachsinn und gegen die Grausamkeit!. Ich kann mir vorstellen, wie schwer der Weg dahin war.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet