Lachen als Abwehr
Saturday 06 March 2010
Sehr geehrte Frau Miller,
vielen Dank einmal für all ihre Bücher. Sie sind eine Art Gesundbrunnen für mich, trostspendend, eine große Hilfe. Das erste von vielen „Therapie- und Psychologiebüchern“ in meinem Leben war das Drama-Buch, wobei ich sagen muss, dass ich mich zunächst gar nicht angesprochen gefühlt hatte, da „begabtes Kind“ irgendwie nach Genie, a la Mozart klang – und so sah ich mich nicht… Ich habe es dann doch gelesen und gleichzeitig das große Glück gehabt, eine Therapeutin zu haben die ebenfalls bedingungslos auf meiner Seite stand und die mir eine Perspektive auf die emotionale Atmosphäre in meiner Familie ermöglichte, die mir zuvor ganz unmöglich gewesen wäre. Das Bezeugende Gegenüber als Hilfe ist sehr! wichtig.
Leider muss ich heute sagen, dass ich mein Leben ganz und gar in der Situation zwischen den Polen Grandiosität und Depression fristete und teilweise heute noch friste…
Da nie etwas je genug war, die Leere füllte, stürzte ich mich in ein naturwissenschaftliches Studium und tat mich gleichzeitig noch als eine Art Zirkusartist/Entertainer/Clown und Straßenkünstler hervor. Verdiente als Student jahrelang für mein Gefühl recht viel Geld und habe Jahre wie in einer Art Rausch oder High verbracht. (Allerdings hatte ich auch schon mit 25 einen schweren depressiven Einbruch mit Klinikaufenthalt…)
Da ich nie wirklich erwachsen, in mir selbst geerdet (Echtheit der eigenen Gefühle…) war, war es mir unmöglich etwa in der Chemie beruflich tatsächlich Fuß zu fassen. Die Kunst, Theater, Comedy wurde zum Hauptthema, jedoch fühlte ich mich auch hier nie glücklich entspannt angekommen, sondern war immer nur so gut wie der letzte Auftritt…
In der Tat war es für mich wie in dem schon angestaubt wirkenden Klischee: Ich machte alle Menschen glücklich – nur mich nicht… sehr traurig. Wirklich ich habe über Jahre und immer Kinderaugen zum Strahlen gebracht und Pärchen ihr Flanieren über die Promenade in den Ostseebädern versüßt… Nur ich selbst fühlte mich am nächsten Morgen leer depressiv und allein. Gleichzeit war ich auf der Bühne auf bizarre Weise so entspannt wie sonst nie, alle Unruhe legt sich, man ist voll konzentriert auf einen Punkt gesammelt. Ein voller Genuss..
Ich würde das heute in Analogie zu Drogensucht sehen, nur dass die Droge (Adrenalin) immer Körper erzeugt wird anstatt eingenommen…
Heute kann ich nur jedes Detail, was sie beschreiben, insbesondere zum Thema Kunst, Kultur so sehr bestätigen. 99% des Betriebs erscheinen mir als spektakuläre Schaumschlägerei, Vernebelungsaktionen allerorten, die Welt ist auf der Flucht. das Publikum goutiert die Produkte denn es ist auch auf der Flucht… Seit langem weiß ich dass es diesen Unterschied gibt zwischen der Kunst aus der Neurose und der Kunst aus der Trauerarbeit.
Und doch müsste ich lügen wenn ich sagen wollte ich hätte mich tatsächlich befreit… ich durchschaue die alten Mechanismen aber habe große Angst vor selbständigen erwachsenen Schritten, Schritten in Unabhängigkeit, in Eigenverantwortung.
Immer wieder stoße ich auf den Punkt: Der Grund warum ich in der Kunst bin (war) ist wirklich die Sache der Bewunderung durch andere gewesen… abgesehen davon interessiert es mich gar nicht so… Und jetzt? wie weiter?
Ehrlich gesagt, mein größter Wunsch ist es keine Witze mehr zu machen sondern das Leben, die Welt, mich ernst zu nehmen, aber da ist eine große Angst…und ich befürchte, dass hinter dieser Angst eine so große Wut ist, eine Wut, die so groß ist das ich Amok laufen könnte, jemanden umbringen könnte…
Sie schrieben einmal über Buster Keaton, die Geschichte ist erschütternd, von Michael Jackson will ich erst gar nicht anfangen… Der ganze Show und Unterhaltungszirkus zerplatzt wie eine Seifenblase wenn man fühlenden Zugang zu den wirklichen Geschichten bekommt.
Aber auch in der Hochkultur, Literatur läuft das ja. Ich habe den Eindruck die Autoren, die am besten Verdrängen, bekommen (dafür etwa…?) die größten Preise…
Sie schreiben über die Irische Mentalität am Beispiel Mc Court, es ist wirklich eine Hilfe diese Sicht zu lesen etwa auf das Thema Ironie, Sarkasmus…. Bei so vielem in der Kunst denke ich nur noch „Drogen-Musik“ (Pink-Floyd) pubertär (Actionkino), infantil (Helge Schneider) Neurotisch (die ganz Comedy-Welt) und so weiter…
Ich bin 42 Jahre alt und habe eine 12 jährigen Sohn. Überhaupt die Vaterschaft, mich daran zu freuen, es zu genießen.. ging ganz lange nur so wenig… (gerade die Clowns, sind ja alles selbst noch Kinder…) und doch kann ich sagen es gibt Fortschritte. Ich muss vieles nicht mehr an meinen Sohn weitergeben. Darüber bin ich sehr froh!
Herzlichst grüßend,TK
AM: Sie haben entdeckt, wie das Lachen von der Wahrheit wegführen kann, und diese Entdeckung kann Ihren Weg zu weiteren Entdeckungen ebnen. Mc Courth hat das nicht begriffen, er starb letztes Jahr an Krebs.