Fehlende Wut

Fehlende Wut
Monday 07 April 2008

Liebe Frau Miller, liebe Barbara,

ich nach 40 Jahren mein Schweigen über den sexuellen Missbrauch gebrochen und mit meinem älteren Bruder über den Missbrauch durch meinen anderen Bruder gesprochen. Ich hatte sehr viel Angst, aber irgendwie war es mir wichtig, endlich das Schweigen zu beenden. Das Gespräch mit meinem Bruder war sehr gut. Er war sehr einfühlsam und verständnisvoll. Also war es eine gute Erfahrung. Es hat mir vorher sehr viel Angst gemacht und mich belastet. Aber irgendwie kam es mir vor, als sei es für mich wichtig, um meine eigene Kraft wieder zu finden, die ich nach der Trennung verloren habe. Nun ist das Gespräch eine Woche schon her und das einzige was sich bisher verändert hat, ist dass meine Trauer nur noch größer geworden ist. Ich weine jeden Tag, habe weiterhin Angst vor meiner Arbeit und Versagensängste. Die Artikel, die Sie mir Barbara empfohlen haben, habe ich gelesen. “Empörung als Vehikel der Therapie” von ihnen Alice Miller und “Ein Liebesbrief an meinen Ärger” von Ihnen Barbara, aber Wut, Empörung oder zu mindest Ärger kann ich nicht spüren.Ich denke, wenn ich das alles nicht fühlen kann, dann ist das eben so. Aber meine Versagensängste, die nehmen mir alle Lust am Leben.
So dass ich manchmal denke, wenn das Leben jetzt zu Ende ginge, wäre es auch nicht schlimm.
Wie finde ich zu meiner Lebenslust zurück? Oder: wenn der Weg nur über die Wut geht, wie komme ich an meine Wut heran?
Vielleicht können Sie mir einen Rat geben
Vielen Dank Ihre P. M.

AM: Keine Sorge, die Wut wird sich schon melden, wenn die Zeit dafür kommt. Man kann nicht alles aufs mal fühlen nach einer so langen Zeit der Gefühllosigkeit. Jetzt dürfen Sie schon weinen und die Trauer spüren zum Glück. Die Wut wird sich auch melden, wenn Sie dafür frei sind.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet